Gedanken, Erlebtes, Geschaffenes und Vergessenes

Schlagwort: die Anderen (Seite 1 von 2)

Scherben

Das Nachdenken der letzten Zeit (Monate…Jahre) brachte mich zu einer Erkenntnis, die von außen betrachtet sicherlich mit einem lapidaren „hab ich dir doch schon immer gesagt“ abgetan werden kann. Von außen… von dieser Perspektive fällt es doch immer leicht, zu werten, zu beurteilen, zu verurteilen. Den Menschen genügt ein kurzer Blick um sich sofort ein (vermeintlich) ausreichendes Bild von einem Menschen geschaffen zu haben. In einer Zeit, wo über „Liebe“ per Links- oder Rechtswisch entschieden wird. Wo die Frage nach Haus, Auto, Boot (und sonstigem Firlefanz) mehr Gewicht hat, als der Charakter und die Eigenschaften. Wo optische „Makel“ einem durch die Medien ins Gehirn gepflanzt werden und viele sich selbst verloren haben, weil sie nur noch nach dieser vermeintlichen Perfektion streben.

Frauen, denen suggeriert wird, dass Falten, graues Haar, zu dünnes Haar, Pigmentflecken, Übergewicht usw. die schlimmsten Makel schlechthin sind. In meinen Gesprächen mit anderen Menschen wird dies natürlich geleugnet… „Nein, ich tu das doch für mich“… natürlich…jedes Wesen ist natürlich glücklich und fühlt sich rundherum wohl mit chemischer Spachtelmasse im Gesicht und Hyaluronsäure die einem das Gesicht geradezieht, als hätte man gerade eine allergische Reaktion. (Ironie Ende) Natürlich tut es Frauen gut, denn es hilft dem Ego… es richtet das auf, was über Jahre gemindert wurde. Und bitte, machen wir uns nichts vor, auch heutzutage wird eine Frau primär nach optischen Aspekten beurteilt. Emanzipation und dieser ganze Humbug (der in meinen Augen auch nur Augenwischerei ist-dazu an anderer Stelle einmal mehr) hat an diesem Rollenbild nicht wirklich etwas verändert.

Männer, ein ähnliches Trauerspiel. Lichtes Haar, der Bauchansatz usw ohje, Schande über sie alle. Der Mann muss nach wie vor zumindest erfolgreich sein. Sei es auf beruflicher Ebene, oder als sozialer Herdenclown. Zumindest so ein bißchen Handwerker darf der Mann an der Seite der emanzipierten Frau doch sein, denn …naja… als Frau kann man ja nicht alles (wie oft ich diesen Satz gehört habe-von Frauen-die sich tatsächlich über das Thema Gleichberechtigung echauffieren können…)

Nee, ich winke ab. Ich habe mich von all diesem Kram zurückgezogen. Soziologisch Erbrochenes muss ich nicht mehr suchen. Und erst recht nicht mehr sezieren, wie ich es mein ganzes Leben getan habe.

Mehrfach in meinem Leben stand ich gefühlt vor einem Scherbenhaufen. Ergebnis des Umgangs mit Menschen. mein ganzes Leben habe ich die Hauptschuld dieser Scherbenhaufen bei mir gesucht. Ich war/bin doch anders, also muss ich der Grund sein. Ich habe mich gefragt, warum Menschen plötzlich aus meinem Leben verschwunden sind. Warum ihr Bedürfnis nach Austausch plötzlich nicht mehr da war. Warum ich (als Person) problemlos ersetzt wurde. Ich habe die Scherben immer wieder betrachtet und analysiert. Ich habe versucht zu verstehen und weil ich keine rationale Antwort fand habe ich den Fehler bei mir gesucht. Vor ungefähr 6 Jahren war ich in Allem ziemlich am Ende. Beruflich und Privat krachte alles und das ständig…wie ein Tanz in einem Minenfeld. Kaum einen Schritt vorwärts gegangen, schon knallte es wieder. Das zog sich über einige Jahre. Die „Explosionen“ wurden nach und nach weniger. Heute blicke ich nun zurück auf dieses endlose Minenfeld, voll mit Scherben und zum ersten Mal habe ich nicht mehr das Bedürfnis diese Scherben zusammenzufegen oder gar zu kleben.

Ich freue mich über die Reflexion der Sonne in diesen Splittern, an dem Tau und Regen, der sich wie ein Film darüber legt. Und trauere niemandem mehr nach. Es ist mir egal, warum der- oder diejenige sich nicht mehr meldet. Es ist mir egal, warum die Leute verschwunden sind – und ja, es ist mir auch egal was sie beim verschwinden mitgenommen haben. (dabei ist es unerheblich ob das Gestohlene physischer oder psychischer Natur war). Ich weiß, dass ich nur wenige Menschen brauche um glücklich zu sein. Je mehr es sind, umso anstrengender wird es wieder- und ich werde mit den Jahren immer fauler-also: „nee, lass mal“.

P.S.: am Ende sterben wir alle, und obs umringt von Geld oder vielen Freunden ist oder allein und in Ruhe…es macht keinen Unterschied…

Gleichnis des Baumes

Es ist Herbst, der Winter steht vor der Tür.
Was verbindet man mit dem Herbst? Bunte Blätter…
Woher kommen diese Blätter? Von Bäumen…
Und je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr stelle ich fest, auch wir sind wie Bäume…

An einem Tag X fällt eine Frucht, ein Samen, zu Boden.
Dieser Samen trägt den Keim eines neuen Baumes in sich.
Allein der Zufall, in Verbindung mit Umständen der Umgebung, entscheidet wohin der Same fällt. Landet er auf fruchtbaren Boden? Steht der Elternbaum auf kargem Boden, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass auch der Samen auf eben solchem Boden landet. Steht er auf fruchtbarem Boden, so hat auch der Samen die Möglichkeit in ebensolchem zu keimen.
Manchmal wird die Frucht fortgetragen. Vom Wind, von Tieren oder einfach weil er einen Hügel hinab rollt.
Im Optimalfall ist fruchtbarer Boden gegeben. Der Same keimt schnell. Kann sich ausbreiten. Tiefe Wurzeln schlagen, die Zweige empor strecken und sich zu einem starken Baum entwickeln. Mit einer breiten, weit ausladenden Krone.
Doch oft ist das nicht der Fall.
Der Boden lässt es nicht zu, dass sich die Wurzeln tief ins Erdreich graben können. Die Nahrungsaufnahme, die nötig für eine gute Entwicklung ist, ist gehemmt. Der Halt ist nicht gegeben, jeder Wind kann problemlos den Schößling, oder später gar den ganzen Baum entwurzeln.
Auch entscheiden andere Bäume indirekt darüber, was aus dem Schößling wird. Ein dichter dunkler Wald lässt es nicht zu, dass sich ein Baum in voller Größe ausbreiten kann. Sie stehlen sich gegenseitig die Nährstoffe und nehmen sich das Licht. Ein Schößling unter einer ausladenden Krone wird niemals genug Licht erhalten um selbst zu solch einem großen Baum zu werden. Zugleich kann aber ein großer, starker Baum einem kleinen Spross Schutz vor Wind oder Wetter bieten.

Es ist ein Miteinander und auch ein „Voneinander-abhängig-sein“.

Manchmal bohren Insekten tiefe Tunnel in geschwächte Bäume. Sie rauben ihnen sukzessive die Möglichkeit zum Leben. Biber nagen die jungen Stämme und der Baum stürzt, noch bevor er die Möglichkeit hatte zu wachsen.

Der Baum ist unser Geist
Die Blätter sind unsere Gedanken und Ideen
Die Tiere sind unsere Handlungen
Das Wetter sind unsere Emotionen
Die Sonne wärmt, also setze ich sie mit Liebe gleich. Denn auch manchmal versengt sie die Pflanzen.
Der Schnee ist die Wut. Denn auch Wut kann manchmal schützen und sich isolierend auf die Pflanzen legen.
Der Regen ist die Traurigkeit. Sie kann alles wegspülen. Aber der leichte Sommerregen, die Melancholie, kann den Baum (den Geist) zum Wachsen anregen.

Ich bin derzeit ausgedorrt. Eine kalte und regenreiche Jahreszeit hat mich geschwächt. Wenig Nährstoffe sorgten für wenig Wachstum. Seit März strecke ich mich nach der Sonne, die plötzlich und unerwartet den wolkenreichen Himmel durchbrach. Manche Tage treffen mich ein paar Sonnenstrahlen, aber die meisten Tage ist der Wind stärker. Er treibt Wolken vor die Sonne. Regen fällt und unterspült meine Wurzeln. Die Blätter fallen.

Quo vadis?

Mit der Geburt beginnen wir den Weg des Lebens zu beschreiten. Welchen Weg wir gehen scheint uns vorher bestimmt, wir haben anfänglich keinen direkten Einfluss. Wohl aber entscheiden wir, während wir gehen, welcher Weg uns genehm ist.

Zum Ziel führen sie alle.

Viele gehen den asphaltierten, sauber gehaltenen. Kein Stock oder Stein behindert das Gehen. Der Wegesrand ist sauber beschnitten. Kein Zweig,  keine Dornen halten uns auf. Nichts was die Menschen innehalten lässt. Kaum ein Blick nach links oder recht. Stur geradeaus!
Ankommen…einfach nur vorwärts… die Ziele erreichen…!
Wahre Heerscharen gehen diesen Weg.
Begleiten die Anderen…überholen einander.
Steigen über die Gestürzten oder helfen ihnen auch auf…je nach Wetter und Laune oder je nach Nutzen. (bringt er den „Helfenden“ vielleicht schneller und näher ans Ziel?)

Ich ging abseits dieser Wege. Ich weiß nicht mehr, ob ich es wollte, aber ich lief in den Wald.  Stolperte über Steine.  Stürzte über Wurzeln. Ich schlug mir die Knie auf. Dornige Büsche rissen mir die Haare aus. Aber ich sah so viel auf diesen Wegen. So viel abseits dieser sauberen breiten Wege… Ich traf auch Andere auf diesen Wegen. Menschen wie mich.
Einige kamen von den großen Wegen.
Einige wollten zu diesen.
Doch längst kann ich nicht mehr zu diesen Wegen, den großen Straßen.
Meine zerrissene Kleidung und meine zerzauste Erscheinung lässt die Menschen auf diesen breiten Wegen die Nase rümpfen. Sie drängen mich unbewusst wieder zurück in den Wald. Dahin wo die Luft klar ist. Dahin wo die Vögel singen und nachts das Käuzchen ruft. Dahin wo ich mehr sehe, rieche, höre und fühle als ich es je auf Euren Straßen könnte. Und so gehe ich weiter. Krieche manchmal durch das Unterholz. Meine Ziele liegen hinter Bergen,Bäumen und Sträuchern verborgen.
Vielleicht erreiche ich sie auf der nächsten Lichtung?
Vielleicht hinter dem nächsten Hügel?
Vielleicht hinter diesem breiten reißenden Fluss?
Vielleicht erreiche ich sie auch niemals, weil ich falsch abgebogen bin.
Vielleicht, weil ich vom Weg abkam, als ich andere ein Stück durch den Wald begleitet und ihnen den Weg zu den breiten Straßen zeigte.
Aber das ist unwichtig. Jeder Moment den ich in diesen Wäldern erlebte war intensiver und informativer als es solch eine Straße je sein könnte.
Eine Straße, auf der es Tiere nur als Kadaver gibt.
Eine Straße auf der die einzigen lebenden Tiere die Aasfresser sind, die sich an an den toten Körpern der Kadaver und Gestürzten gütlich tun.

So setze ich mich auf das Moos und lausche dem Specht, betrachte meine aufgeschlagenen Knie und streiche meine zerzausten Haare aus dem Gesicht. Hinter mir bricht ein Zweig… Mensch oder Tier? Langsam und neugierig schau ich mich um…

Sorgenkinder – wortinfarkt

Ein interessanter Artikel zu einem Thema, was mich (unter vielen anderen) seit knapp 36 Jahren beschäftigt. Diese permanente Entmündigung durch andere, die es doch nur gut meinen, und die Auswirkungen….


Sorgenkinder – wortinfarkt:

“Darf ich auf Toilette gehen?” Vor mir steht eine 17 jährige Schülerin – wahrscheinlich heißt sie Lara – und schaut mich leidend an. SIE IST 17. Sie ist 17 und fragt mich, ob sie auf To…

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Meine frühzeitige Auflehnung gegen dieses „für mich denken wollen“, „für mich das Beste wollen“ usw. wurde natürlich beizeiten damit quittiert, dass in meinen Schulzeugnissen stand, ich „müsse lernen die Autoritäten zu respektieren“-quatsch! Ich hatte immer Respekt und war immer höflich, sofern man es mir gegenüber war. Aber die Tatsache, dass ich ja minderjährig war, genügte den meisten, mir gegenüber einen abwertenden, künstlich mütterlichen Tonfall anzunehmen, der mich bis heute aggressiv werden lässt. Jeder Mensch ist der Meinung den IQ eines Menschen, und besonders die Lebenserfahrung des Menschen, an einem Alter festzumachen. Der Ältere schaut auf den Jüngeren, faselt von Autorität und denkt er wäre „Ranghöher“. Nun, auch heute habe ich noch das Kainsmal einer Rebellin… ein Makel der mir aufgedrückt wurde- ich sei doch „gegen alles“.  Das dies nicht der Fall ist, erkennen die meisten erst im Dialog, wenn es denn nicht zu kompliziert wird…

Unsere Zweifel sind Verräter und häufig die Ursache für den Verlust von Dingen, die wir gewinnen könnten, scheuten wir nicht den Versuch.
(William Shakespeare)

Ein Spiegel meiner Selbst…

Auch eines dieser Lieder, die mir förmlich aus der Seele sprechen…

Subway to Sally
Seemannslied

Lang schon fahr ich auf den Meeren,
Wind und Woge weiß wohin,
fern von allen meinen Ufern,
fühl ich, dass ich traurig bin,
Wind und Woge flüstern leise,
von dem Meer und Magellan,
von den Strömen und Gezeiten
doch ich sing dagegen an:

Wer gießt Blut durch meine Adern,
wer schickt Vögel übers Meer?
Ach ich harre schon so lange,
heimatlos und sehnsuchtschwer.

Wenn die Sterne früh verdämmern,
zieht mich alles nach dem Land,
meine müden Augen bleiben
stehts dem Hafen zugewandt.
Wenn die Segel nicht mehr glänzen,
wenn die Winde nicht mehr wehen,
werd ich um zu Dir zu kommen
über Ozeane geh’n.

Wer gießt Blut durch meine Adern,
wer schickt Vögel übers Meer?
Ach ich harre schon so lange,
heimatlos und sehnsuchtschwer.

Ich komm zu Dir,
mein Atem meine Hände heiß –
aus meinen Augen taut das Eis
ich komm zu Dir,
mein Atem meine Hände heiß –
aus meinen Augen taut das Eis

Wer gießt Blut durch meine Adern,
wer schickt Vögel übers Meer?
Ach ich harre schon so lange,
heimatlos und sehnsuchtschwer.

Du gießt Blut durch meine Adern,
du schickst Vögel übers Meer,
baust mir Brücken zu den Ufern,
schickst die Vögel übers Meer,
für des Seemanns Wiederkehr…

Thirteen

„Thirteen“
(gesungen von Johnny Cash, Danzig und Ski King->sicher auch von anderen mehr, allerdings ist die Interpretation von Cash und King die, die unter die Haut geht, bald auch unter meine:als Tinte im Genick…)

Bad luck wind been blowing at my back
(Der Wind des Unglücks weht mir in den Rücken)
I was born to bring trouble to wherever I’m at
(Ich wurde geboren, um Schwierigkeiten zu machen, was immer ich auch mache)
Got the number thirteen tattooed on my neck
(Bekam die Nummer 13 auf meinen Nacken tätowiert)
When the ink starts to itch, then the black will turn to red
(wenn die Tinte zu jucken beginnt,dann wandelt sich schwarz zu rot)

I was born in the soul of misery
(Ich wurde geboren in der Seele des Elends)
Never had me a name
(Hatte nie einen Namen)
They just gave me the number when I was young
(Sie gaben mir einfach die Nummer, als ich jung war)

Got a long line of heartache
(Habe eine große Sammlung Herzschmerz)
I carry it well
(die steht mir gut)
The list of lives I’ve broken
(die Liste der Leben die ich zerstört habe)
reach from here to hell
(reicht von hier bis zur Hölle)
Back luck been blowing at my back
(Der Wind des Unglücks weht mir in den Rücken)
I pray you don’t look at me, I pray I don’t look back
(Ich bete schau nicht auf mich, ich bete schau nicht zurück)

I was born in the soul of misery
Never had me a name
They just gave me the number when I was young

I was born in the soul of misery
(Ich wurde geboren in der Seele des Elends)
Never had me a name
(Hatte nie einen Namen)
They just gave me the number when I was young
(Sie gaben mir einfach die Nummer, als ich jung war)
They just gave me the number when I was young
(Sie gaben mir einfach die Nummer, als ich jung war)

Lebend lohnt es (Goethes Erben)

so suche ich und find nur Stück für Stück
das Fleisch die Lust die Furcht die Frucht
und immer wieder Mauern
sie trennen mich von meiner phantasiebefleckten Welt
doch über Mauern kann man springen
es geht ganz leicht man braucht nur Mut

denn nur lebend lohnt es
lohnte es sich zu…

wenn ich zum Himmel blicke sehe ich keine Engel
aber Wolkentürme die Geschichten formen
besser als nur Regen sehen
der Wind trägt bunte Drachenflieger
und zerstört als Sturm nur selten
sehe was du dir erträumst von bunten Kinderliedern
der Ewigtraum betrügt dich nie
doch wird er dich irgendwann vergessen?
nur wenn man es zulässt

denn nur lebend lohnt es
lohnt es sich zu…

im Reich der Mythen und Geschichten
verlor ich meine Angst

denn nur lebend lohnt es
lohnt es sich zu…

doch vorher will ich atmen und soviel Träume leben
und erzählen, tanzen, spielen
mir scheint es ist noch Zeit bis mich das Leben überholt
denn noch brennt die Sehnsucht die Gier nach allem Wissen
die Lust auf noch so vieles mehr
auch wenn ich sprachlos bin so weiß ich tausend Worte
die schöner sind auch Hässliches erträglich werden lassen
denn wer lebt kann auch in Ruhe sterben

denn nur lebend lohnt es
lohnt es sich zu…
denn nur lebend lohnt es sich
lohnt es sich zu sterben

 

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Angst, zu vertrauen

von Dr. Doris Wolf, Psychotherapeutin Link zum Original: (klick hier)

Ich hätte es nicht treffender beschreiben können…

 

Jeder Mensch benötigt Vertrauen – Vertrauen in sich, andere und die Welt. Wenn wir Angst haben, zu vertrauen, leiden wir häufig auch noch unter anderen Ängsten: etwa unter Versagensangst, Angst vor Nähe, Angst vor engen Bindungen oder sozialen Ängsten. Wir haben Angst, uns auf einen Partner einzulassen oder Freundschaften zu schließen. Beruflich können wir uns möglicherweise nicht unseren Fähigkeiten entsprechend entfalten, weil wir uns nichts oder zu wenig zutrauen. Wir wenden uns von anderen Menschen ab und werden zu Einzelgängern und Eigenbrödlern. Oder aber wir schrecken andere durch Arroganz oder Sarkasmus ab, damit diese uns nicht zu nahe kommen und uns verletzen. Ja, vielleicht entwickeln wir einen Kontrollzwang, um mit unserer Angst umzugehen. Zwänge sind nämlich immer Ausdruck einer Angst und der Unfähigkeit, mit der Angst angemessen umzugehen.

Warum haben wir Angst, zu vertrauen?

Unser Urvertrauen entsteht in unserer Kindheit. Die ersten Lebensjahre bestimmen maßgeblich, welche Einstellungen wir uns, anderen und der Welt gegenüber entwickeln. Indem unsere Eltern oder andere wichtige Bezugspersonen uns liebevoll umsorgen und da sind, wenn wir Zuwendung, Geborgenheit, Trost oder Ermutigung benötigen, legen sie die Grundlage für unser Vertrauen in andere und unser Selbstvertrauen – unsere innere Sicherheit.

Selbstvertrauen entwickeln wir, wenn unsere Eltern uns schrittweise an neue Aufgaben heranführen und uns dabei ermutigen und loben. Umgekehrt führen Lieblosigkeit, persönliche und verletzende Kritik, Nichtbeachtung und Vernachlässigung dazu, dass wir lernen, an uns zu zweifeln. Wir entwickeln die Einstellung: „Ich bin nicht liebenswert, nicht in Ordnung.“

Und dann spielen natürlich auch Erfahrungen, die wir in der Schule und in der Pubertät machen eine Rolle beim Aufbau unseres Selbstwertgefühls. Wurden wir in der Schule gemobbt oder gehänselt und konnten uns nicht wehren, dann hat unser Selbstwertgefühl unter diesen Erfahrungen gelitten.

Und schließlich können traumatische Erfahrungen, wie ein sexueller Missbrauch oder sehr schmerzliche Enttäuschungen und Kränkungen, unser Vertrauen in andere zerstören. Die Folge davon ist, dass wir als Schutz vor dem Verletztwerden niemanden mehr an uns heran lassen, weil wir hoffen: „Wenn ich niemanden vertraue, kann ich auch nicht enttäuscht werden.“

Wie vertrauen lernen und die Angst, zu vertrauen, überwinden?

Die Angst, zu vertrauen, entsteht in unserem Kopf. D.h., wenn wir diese Angst überwinden möchten, dann müssen wir an unseren Gedanken ansetzen.

Wenn wir schwer enttäuscht und betrogen wurden, wenn unser Vertrauen missbraucht wurde, dann haben wir die Einstellung entwickelt, dass wir anderen nicht trauen können und dass es zu schmerzhaft ist, enttäuscht zu werden. Diese Einstellung gilt es zu korrigieren.

TIPP 1: Zu vertrauen ist eine Entscheidung, die wir treffen. Verständlich, dass wir uns schwer tun, wieder zu vertrauen, wenn wir mal enttäuscht wurden. Und es ist auch verständlich, dass wir unser Vertrauen nicht wie einen Lichtschalter an und ausschalten können. Wieder Vertrauen kann man nicht erzwingen. Das Vertrauen muss erst wieder langsam wachsen. Das braucht Zeit. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass wir uns zuerst bewusst dafür entscheiden, wieder vertrauen zu wollen.

Wann immer wir uns für einen Menschen öffnen, gehen wir das Risiko ein, enttäuscht, verletzt, abgelehnt, betrogen oder verlassen zu werden. Niemand kann uns eine Garantie geben, dass unser Vertrauen belohnt und wir nicht enttäuscht werden. Andererseits gibt es aber auch keine Garantie dafür, dass es immer schlecht laufen muss. Warum sollten wir der einzige gute Mensch auf der Welt sein? D.h. das Risiko, enttäuscht zu werden, ist immer vorhanden, aber die Chance, dass unser Vertrauen belohnt wird, ebenso.

TIPP 2: Neben der bewussten Entscheidung, wieder vertrauen zu wollen, benötigen wir aber auch das Vertrauen in uns, mit Enttäuschungen umgehen zu können. Vertrauen ist immer Ausdruck von innerer Stärke. Oder wie es Mahatma Gandhi einmal ausdrückte: Misstrauen ist ein Zeichen von Schwäche.

Die Frage ist also, was können wir tun, um uns innerlich zu stärken und weniger verletzbar zu sein? Um gegen Kränkungen und Verletzungen mehr immun zu sein, müssen wir an uns arbeiten. Wir müssen z.B. lernen, nicht alles persönlich zu nehmen, indem wir lernen, unser Selbstvertrauen, d.h. das Vertrauen in uns und unsere Fähigkeiten, zu stärken.

Nur wenn wir über ein gesundes Selbstvertrauen verfügen, können wir auch anderen vertrauen. Und wir müssen unser Selbstwertgefühl stärken und lernen, uns mehr anzunehmen. Je weniger wir uns nämlich für liebenswert halten, umso anfälliger sind wir für Kränkungen und Verletzungen.

Ich wünsche Ihnen die Kraft und den Mut, wieder Vertrauen zu fassen – nicht der anderen wegen, sondern Ihretwegen. Ihr Vertrauen in andere und Ihre Bereitschaft, sich für andere zu öffnen, können mit dem Gefühl von Liebe, Nähe, Geborgenheit, Verständnis und Unterstützung belohnt werden. Ohne Vertrauen fühlen wir uns einsam und unser Misstrauen zerfrisst unsere Seele. Haben Sie also den Mut, wieder mehr zu vertrauen, auch wenn Sie enttäuscht werden können.

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